Kulturerbe des 20. Jahrhunderts

Am Quai Gambetta, direkt am Hafen, stehen vier schwindelerregende Hochhäuser symbolisch für den Wiederaufbau von Boulogne-sur-Mer

...nach den Qualen des Zweiten Weltkriegs. 

Die „Buildings“ am Quai Gambetta

In Boulogne-sur-Mer nennt man sie „les buildings“. Am Quai Gambetta sind sie nicht zu verfehlen. Es gibt vier davon, und sie sind massiv - richtige Kolosse. Sie sind das Werk des Architekten Pierre Vivien, der ab 1945 die schwierige Aufgabe hatte, Boulogne-sur-Mer und die umliegenden Gemeinden wieder aufzubauen. Am Ende des Krieges liegt die Hafenstadt am Boden und ist zu 85% zerstört. Der Quai Gambetta, ein wesentlicher Bereich des Hafenbetriebs, existiert nicht mehr... Zusätzlich zu den Gebäuden der Handelskammer und des Brücken- und Straßenbaus zeichnet der Architekt auch die Pläne für die vier Hochhäuser, die aufgrund ihrer ungewöhnlichen Höhe, ihres Standorts und ihrer Aufteilung seitdem als Symbol für den Wiederaufbau von Boulogne gelten. 

Geräumig und modern

Die monumentale Aufmachung dieser vier Hochhäuser zeigt die große Bedeutung, die der Wohnungsfrage nach dem Zweiten Weltkrieg beigemessen wurde. Jedes der 40 Meter hohen Gebäude hat zwölf Etagen. Die Geschäfte im Erdgeschoss knüpfen, genauso wie die Hotels im 1. Stock, an Vorkriegstraditionen an. Über den Büroräumen im 2. Stock befinden sich neun Etagen, die ausschließlich zu Wohnzwecken bestimmt und in Appartements aufgeteilt sind. Diese 4 bis 5-Zimmer-Wohnungen vereinen alle Elemente der neuen Lebensart in der Nachkriegszeit: Gemeinschaftsräume und streng abgetrennte private Bereiche, Badezimmer, regulierbare Heizung, Müllschlucker, usw. Hinzu kommen kollektive „Vorzüge“ wie Fahrstühle zum Beispiel. Die Hochhäuser am Quai Gambetta sind ein Beleg für das Aufkommen einer neuen Wohnungsform. Ein Musterbeispiel in Sachen modernes Wohnen. 

Symbolcharakter

Die schräge Aufstellung rührt daher, dass man Sonneneinstrahlung, Windrichtung und den Blick aufs Meer berücksichtigt hat. Den vier 1955 fertiggestellten Hochhäusern wurde 2009 vom französischen Kulturministerium das Prädikat „Anerkanntes Kulturerbe des 20. Jahrhunderts“ verliehen. Das lange verschmähte Erbe des Wiederaufbaus erhielt so wieder neuen Auftrieb. Die Hochhäuser beeindrucken nicht nur durch ihre Form, ihre polychromen Fassaden und ihre Maße, sie sind auch ein Symbol für Frieden, Widerstandskraft und Neugeburt.